Rumpelstilzchen - Musical

Leseprobe - Bild III

Im Palast des Königs

Erste Szene
König Niegenug, Ferdi Nudnik, der Müller, Lieschen

König Niegenug der Erste sitzt gelangweilt in seinem Thron. Vor ihm steht Ferdi Nudnik. Der Müller und seine Tochter Lieschen knien vor dem König, der von deren Schönheit wenig beindruckt ist.

Ferdi:
Hochverehrte Majestät, gestatten, daß ich Ihro Majestät vorstelle: Der Müller Müller und seine Tochter Lieschen, (verliebt:) das bezauberndste Geschöpf unter der Sonne, das, wie mir ihr Herr Vater, der Müller Müller bestätigt, normales Stroh, das unsereins für die Matratzen in den Gesindestuben und die Schweinekoben - Pardon, Majestät - benutzen...

König:
(ungeduldig)
Komm' er endlich zur Sache! Was will er von mir, der Herr Müllermüller?

Ferdi:
Pardon, Majestät, Er ist Müller und heißt Müller...

König:
Wie auch immer. Komm' er zur Sache!

Ferdi:
Ja natürlich, Euer Hochwohlgeboren! Seine Durchlaucht werden nicht umhin können, die ausgezeichnete Fähigkeit dieser außergewöhnlichen Schönheit...

König:
Papperlapapp! Was will er?

Ferdi:
Pardon, Majestät! Dieses wunderbare...(Blick vom König, schnelll:) Sie kann Stroh zu Gold spinnen!

Der König ist außerordentlich erstaunt. Lieschen erschrickt fürchterlich. Der Müller windet sich vor Scham und Peinlichket.

König:
(zum Müller)
Das ist eine Kunst, die mir wohlgefällt. Wenn deine Tochter so geschickt ist, will ich sie auf die Probe stellen. Gleich heute nacht soll sie mir ihre Fähigkeit beweisen. Man lasse sie in eine Kammer voll Stroh führen, reiche ihr Spinnrad und Haspel und schließe sie daselbst ein.
(zu Lieschen)
Mache dich an die Arbeit! Und wenn du diese Nacht durch bis morgen früh das Stroh nicht zu Gold versponnen hast, so mußt du sterben!
(zum Müller)
Und du auch, Herr Müllermüller!



Zweite Szene
Lieschen, später Rumpelstilzchen

Lieschen sitzt allein in einer Kammer voll Stroh vor dem Spinnrad und weint.

Lieschen:
Oh! Nun müssen wir sterben! Ich verstehe doch wahrhaftig nichts davon, wie man Stroh zu Gold spinnen kann. Meine arme Mutter. Wie wird sie sich die Augen aus dem Kopf weinen! Sah sie mich nicht schon an der Seite dieses hartherzigen Mannes als Königin? Ach Mutter, niemals würde ein König das arme Lieschen Müller heiraten - und sei sie noch so schön!
Mein armer Vater! Warum muß er nur immer so aufschneiden? (schnell) Oh, verzeih mir, mein Vater! Aber ich will nicht sterben! Ich bin doch noch so jung! Mama,vergiß mich nicht! Ich will nicht sterben.

Lied:
Warum ist der arm und der andere reich?
Warum gelten nicht alle Menschen gleich?
Wie kommen die Könige in die Welt?
Warum ist mein Vater kein Held?

Warum hat der viel und der andere nichts,
Der eine baut auf und der andere bricht's
Warum hat mein Vater so wenig Geld?
Und warum ist er kein Held?

Warum kann ich nicht fliegen und flöge von hier?
Wenn der König sich ärgert, was täte es mir?
Warum hat mein Vater so'n Unsinn erzählt?
Und warum ist er kein Held?

Ach, warum ist mein Vater kein Held? Weil er kein Geld hat! Und warum hat er kein Geld?

Plötzlich gibt es ein merkwürdiges Rauschen, es blitzt und donnert, die Wand öffnet sich und das Rumpelstilzchen steht vor Lieschen.

Rumpelstilzchen:
Guten Abend! Was höre ich da, schöne Müllerstochter, dein Vater kein Held?
Er ist sehr wohl ein Held; er ist der größte Maulheld unter der Sonne. Aber sage mir, Jungfer, warum sie so weint!

Lieschen:
(schluchzend)
Ach, ich soll Stroh zu Gold spinnen und verstehe nichts davon!

Rumpelstilzchen:
Was gibst du mir, wenn ich dir's spinne?

Lieschen:
(putzt sich die Nase)
Gutes Männchen, ich geb dir mein Halsband, das die selige Großmutter mir auf dem Sterbebett vermacht hat. Es ist das Beste, was ich habe!
(macht sich die Halskette ab und gibt sie dem Rumpelstilzchen)

Rumpelstilzchen:
(beißt in die Kette und steckt sie in die Tasche)
Es sei! Nun muß sie mir nur noch Platz an Spindel und Haspel machen, damit ich mein Werk vollbringen kann, Jungfer Müllerin!

Lieschen steht auf; dann wird sie plötzlich todmüde . Sie legt sich auf den Boden und schläft ein. Rumpelstilzchen vollführt einen gespenstischen Beschwörungstanz

Ich spinne. ich spinne, die Formel heißt: Licht!
Und Schatten und tiefe Finsternis bricht.
Du goldene Sonne, vom Ufer der Meere
Deiner himmlischen Strahlen, gleißende Speere!
Die Nacht gehört mir, dem Schattendämon.
Eine Kammer voll Gold; das sei mein Lohn!

Ich spinne, ich spinne, drehe dich Rädchen!
Ich spinne, ich spinne goldene Fädchen.
Brennet ihr Lichter der dunklen Gewalt
Bis der erste Schrei des Hahnes erschallt!
Ich spinne, ich spinne!

Es setzt sich an das Spinnrad und beginnt mit furchterregendem Lachen sein Werk, während Lieschen Müller tief und fest schläft.

Schnurr, schnurr, dreimal gezogen, - die Spule ist voll!
Schnurr, schnurr, dreimal gezogen, - die Spule ist voll!
Schnurr,...

(...)

© Hartmann & Stauffacher


Anna Cron